Episode #25 Kein Bock auf Gesellschaft – ab jetzt allein

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„Gedanken zur Menschlichkeit“ ist ein philosophischer Podcast mit Annette Müller, die von Medienprofi Falk S. Al-Omary interviewt wird. Der Podcast möchte bewusst Kontroversen schaffen und neuen Gedanken abseits des Mainstream Raum geben.

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Hier können Sie diese Podcastfolge nachlesen:

Annette Müller: Hallo und herzlich willkommen zum heutigen Podcast. Wir möchten uns heute auseinandersetzen mit dem Gefühl kein Bock auf Gesellschaft. Ab jetzt allein. Was treibt jemand dazu, zu sagen: „Okay, ich habe jetzt keinen Bock mehr auf Gesellschaft. Ich will jetzt allein sein“. Herzlich willkommen hier, Falk Al-Omary. Falk, wie geht es dir damit? Ab jetzt allein. Wir haben uns ja schon des Öfteren unterhalten und du bist ja sehr, sehr gerne allein. Das heißt, du bist gerne ohne Gesellschaft. Oder habe ich das falsch verstanden?

Falk Al-Omary: Ja. Ich fange gleich mal mit einem meiner Lieblingssätze an. Ich freue mich über jeden Menschen, dessen Bekanntschaft ich nicht machen muss. Ich bin in der Tat gerne allein oder in einem sehr kleinen Kreis. Ich gehe nicht zu Veranstaltungen, wo viele Menschen sind. Wenn ich ein Seminar besuche, dann sind so sechs Teilnehmer plus Seminarleiter das Maximum, wo ich sage, das ist noch irgendwie erträglich. Ich möchte immer weniger Teil von Großereignissen sein. Ich habe in der Corona-Zeit genossen, dass alle Abstand gehalten haben und nicht so viele Menschen in den Geschäften waren. Das war auch das Einzige, was ich gut fand. Aber dieses Thema Abstand, Abgegrenztheit, für mich alleine sein, auch bewusst nicht Teil eines Kollektivs sein. Du hast ja auch gefragt, kein Bock mehr auf Gesellschaft. Ist ja nicht die persönliche Gesellschaft, sondern ich möchte auch in diesem System so möglichst wie wenig mit zu tun haben. Also ich denke mir oft, dass allein das Thema, dass ich Teil der Gesellschaft bin, dass ich Staatsbürger bin, ob das nicht eigentlich auch nicht schon eine Einschränkung ist. Weil es ein Zwang ist, Teil von irgendetwas sein zu müssen. Ich kann mich nicht für die Staatenlosigkeit entscheiden. Ich kann nicht sagen, ich mache jetzt hier gar nichts mehr. Und ich versuche, mir möglichst viele Freiräume zu schaffen, in denen ich machen kann, was ich will ohne staatliche Bevormundung, ohne Gesellschaft, ohne die Notwendigkeit, dass ich Chöre und Applaus brauche. Und ich finde auch, dass das viel mehr kreative Potenziale bietet. Natürlich hat es Sinn, für Feedback mit Menschen zu sprechen. Mit einzelnen Menschen. Also ich rede nicht von Isolation. Aber ich rede schon von Abgegrenztheit und von Selbstbeschäftigung und von Selbstreflektion. Weil ich glaube, dass da viel mehr Kraft drin liegt als bei diesen Leuten, die immer auf Achse sind und von Event zu Event rennen. Das gibt mir keine Ruhe. Ich kann aber gut alleine sein. Ich verstehe, dass es Menschen gibt, für die das eine schreckliche Vorstellung ist. Aber ich finde, jetzt eben mal vier, fünf Wochen zu Hause zu sein und vielleicht ein paar Telefonate zu führen und sonst niemanden zu sehen, nicht als Strafe. Sondern im Gegenteil, eher als, ja, Genugtuung, oder als vielleicht auch so eine Art Glück.

Annette Müller: Ja, also ich befinde mich sehr, sehr gerne in bester Gesellschaft. Also in bester Gesellschaft, einer Gesellschaft, die mir liegt, fühle ich mich sehr wohl. Also was jetzt zum Beispiel im Gegensatz zu dir für mich eine sehr schöne Erfahrung gewesen ist, ist, dass ich durch Zufall zwei fremden Menschen begegnet bin, die sozusagen überrascht waren, mich zu treffen. Weil sie das nicht erwartet haben und wir uns unglaublich gefreut haben, dass wir uns tatsächlich hier jetzt durch diesen Zufall über den Weg gelaufen sind. Und diesen zwei Leuten zu begegnen, hat mich und auch die sehr gefreut. Also wir haben einander sehr inspiriert und sehr viel Freude geschenkt. Wie gesagt, du und ich, wir sind ja wie Feuer und Wasser. Ich bin der große Menschenfreund und du eher lieber mit dir selbst allein. Was ja auch bedeuten würde, du bist ja dir selbst die beste Gesellschaft. Also du fühlst dich in deiner Gesellschaft sehr wohl. Und andere Menschen, die wiederum andere unbedingt brauchen, weil sie nicht alleine sein können, kann ich mir vorstellen, dass die nicht sich selbst in Gedanken sehr gut behandeln. Also, dass die sich mit sich selbst alleine nicht sehr wohl fühlen. Also ich habe also mit beidem kein Problem. Ich bin gerne alleine und ich bin auch gerne in guter Gesellschaft. In einer Gesellschaft, in der ich mich sehr, sehr wohl fühle. Das mit dem staatenlos, da habe ich mir jetzt in dieser Corona-Krise ganz viele Gedanken gemacht, weil ich so gespürt habe, dass ich gehorchen muss. Ich gehöre diesem Staat und ich muss gehorchen. Ich habe mir gedacht, wie kann ich da raus. Wie kann ich da aussteigen. Was habe ich für eine Möglichkeit. Wie kann ich dem entkommen, dass ich etwas tun muss, was ich nicht tun möchte. Und habe mir dann vorgestellt, also ich muss nicht nur zu Hause bleiben, sondern ich muss vielleicht auch für etwas sein, was mir nicht entspricht. Oder gegen etwas sein, was mir nicht entspricht. Ich muss Teil dieses Gesellschaftsstroms sein. Jetzt kämpfen wir gegen das Virus. Dann kämpfen wir gegen die Klimakrise. Dann kämpfen wir vielleicht gegen eine bestimmte Gruppe von einer Bevölkerung. Das ist alles gesteuert. Und nur weil ich Teil dieses Staates bin, habe ich da jetzt mitzumachen. Deshalb habe ich mir gedacht: „Oh, wie komme ich da raus aus der Nummer“ und habe also keinen Ausweg gesehen.

Falk Al-Omary: Ja, der ist auch schwer zu finden. Aber du hast gesagt, ich bin gerne mit mir allein und du bist gerne in guter Gesellschaft. Das schließt sich auch nicht aus. Natürlich, wenn ich Selbstgespräche führe, spreche ich zumindest mit jemandem, der mich versteht. Also das ist ohne Frage so und deswegen komme ich auch gut mit mir selber klar. Und ich verstehe auch, dass mit mir andere Menschen nicht so gut klar kommen, weil ich in der Tat in weiten Teilen krasse Ansichten habe. Ich habe eben auch erkannt, dass ein gewisser Rückzug zu einer gewissen Harmonisierung führt und Konflikte minimiert, weil ich in der Tat ganz, ganz wenig Bock auf Gesellschaft habe. Ich habe auch meine sozialen Kontakte weitgehend reduziert. Ich habe nur noch soziale Kontakte zu Menschen, mit denen ich auch in einer geschäftlichen Beziehung stehe. Also klar, wenn ich einkaufen gehe, auch das ist ja eine geschäftliche Beziehung und wenn ich im Restaurant bin, werde ich gerne gut bedient und dann gebe ich gerne gutes Trinkgeld und dann werde ich gerne gut behandelt und dann gebe ich auch sehr viel Wertschätzung und Dank zurück. Aber meine sozialen Kontakte beschränken sich immer auf einen im weitesten Sinne kaufmännischen Akt. Das ist eine Kooperation, damit ich in meiner Abgegrenztheit mich besser und wohler fühle. Das ist meine Lebenseinstellung. Und deswegen gucke ich auch immer, wie kann ich meinen Nutzen maximieren, ohne dafür andere Menschen zu benötigen oder gar von ihnen abhängig zu sein. Das ist mein ganzes Streben. Ich gucke den ganzen Tag danach, wie kriege ich die ganzen Befindlichkeiten, die ganzen Gefühle, diesen ganzen Ballast, den Menschen mit sich rumtragen aus meinem Kosmos verbannt. Also das ist echt wesentlicher Bestandteil aller Entscheidungen, die ich treffe. Das ist so meine Mikroebene. Dann hast du eine Makroebene angesprochen, Staat und Gesellschaft. Ich habe das mit staatenlos definiert. Du hast gesagt, du gehörst dem Staat. Das sehe ich eben nicht so. Kein Mensch gehört irgendjemandem. Wir sind keine Sklaven, wir sind alle freie Menschen und wir können in einem gewissen Rahmen freie Entscheidungen treffen. Und dann gibt es Menschen, denen die gegebene Freiheit dann eben nicht reicht. Und das ist das, wo ich eben sagte, die Tatsache, dass ich Teil einer Gesellschaft bin, gar nicht mal eines Staates, den könnte ich ja theoretisch wechseln, indem ich umziehe oder so. Aber ich bin immer Teil einer Gesellschaft, einer Stadt, einer Gesellschaft, einer Nation, eines Volkes, wie auch immer, einer Branche, was auch immer. Ich bin immer Teil von irgendetwas, ich bin kein Atom. Und ist die Tatsache, dass ich in irgendeiner Art und Weise in ein System eingebunden bin, nicht eigentlich schon ein Maß an Unfreiheit, ein Maß an Fesseln, die ich abzuwerfen bestrebt sein muss. Und das sind die philosophischen Fragen, die ich mir permanent stelle. Und ich versuche ständig, diesen Radius zu erweitern. Und ich würde mir tatsächlich eine Gesellschaft wünschen, dir nur aus Atomen besteht und wo sich diese Atome nur begegnen, um miteinander gerade irgendetwas zu verwirklichen. Und dann wieder auseinander gehen. Deswegen habe ich auch nicht geheiratet. Deswegen finde ich auch das Prinzip Familie, vom Denken her ist mir das total fremd.

Annette Müller: Also ich sehe, dass wir Atome sind, die uns dann begegnen, um etwas in die Welt zu bringen. Also so sehe ich das. Also ich sehe nicht, dass wir irgendwo wirklich auf Zentimeter aneinander gekettet sind, so dass wir uns überhaupt nicht frei wegbewegen können. Dieses Freiheitsstreben, also quasi dieses leicht sein, dieses unbeschwert sein, dieses sich bewegen können, volatil im Geist, das ist ja das, was die Philosophen die ganze Zeit betrachten, dass der Geist sich ja in diesem Körper befindet und der Körper diese Schwerkraft empfindet und diese Schwerkraft besitzt. Aber dass das Streben nach der Freiheit eigentlich das Streben nach dem freien Geist ist und dass der freie Geist die Freiheit bedeutet, aber diese Freiheit sich dann in der Körperlichkeit ausdrückt. Und nachempfinden, dass du sagst, wir gehören niemandem, kann ich jetzt zum Beispiel überhaupt nicht. Weil ich habe jetzt mich definitiv in diesen Wochen gehörend gefühlt und in der Freiheit, die ich ansonsten hatte, die ich leben konnte, ganz stark eingegrenzt gefühlt.

Falk Al-Omary: Das ist aber, weil du Teil dieser Gesellschaft bist. Wo ich eben sage, da kannst du Abstand von nehmen. Und das ist ja der Witz. Auf der einen Seite reden wir von Social Distancing und es ist verantwortlich, sich rauszuziehen aus der Gesellschaft im Sinne von körperlicher, physischer Nähe. Und trotzdem zwingt man uns in ein Kollektiv, in dem man uns sagt, wenn du jetzt raus gehst, tötest du potenziell Menschen. Wenn du dich nicht so und so verhältst, gefährdest du andere. Wenn du diese und jene Meinung vertrittst, bist du ein Verschwörungstheoretiker oder ein Corona-Leugner. Wenn du nicht gefügig bist, wirst du wieder eingesperrt. Das war ja auch mal so eine subtile Drohung. Wenn ihr, Volk, nicht brav seid, dann werdet ihr wieder arrestiert. So. Und insofern ist das keine Frage von Gehören. Sondern es ist eine Form von staatlicher Gewalt. Und das ist genau das, wo ich sage, da würde ich gerne einen drauf setzen. Ich empfinde in der Tat, und da schließt sich der Kreis auch zwischen dem, was du sagst und was ich meine, ist nicht die Tatsache, dass ich in eine Kollektivethik, in gesellschaftliche Normen, in staatliche Regulatorik, in das moralische Obligo mich wohlfeil im Sinne aller zu verhalten, ist das nicht in allerletzter Form nicht eine Art von Gewalt, die mich eben in ein Kollektiv presst und meine Entfaltung verhindert. Jetzt wäre das Gegenargument, die Freiheit des Einzelnen endet da, wo sie die Freiheit des anderen einschränkt. Das ist die Grenze. Ich glaube aber, dass wir mit dem Argument sehr schnell bei der Hand sind, weil andere sich extrem schnell eingeschränkt fühlen, wo sie sich noch gar nicht eingeschränkt fühlen müssten. Deswegen werden die Spielräume immer enger. Ich glaube, das ist die Symbiose, die wir beide haben, wo wir sagen, das ist uns eigentlich zu viel, das ist uns eigentlich zu eng. Da fühlen wir uns bevormundet.

Annette Müller: Also ich habe diese Bevormundung jede Stunde sozusagen erlebt, weil ich das, was ich eigentlich getan hätte, nicht tun konnte. Das waren ganz, ganz viele Sachen. Viele Pläne, viele Reisen, viele Aktionen. Viele Dinge, die einfach nicht geschehen durften. Weil eben diese Anordnungen da waren. Und dann habe ich mir gedacht: „Oh, hmm“. Und ich habe eben mit einer sehr guten Bekannten, die eben in der DDR aufgewachsen ist, gesprochen und die hat gesagt: „Ja, ich erlebe jetzt genau das, was ich in meiner Jugend erlebt habe, bevor ich eben ausgereist bin in die vermeintliche Freiheit. Und jetzt stehe ich wieder da und habe noch nicht einmal ein anderes Land, wo ich sagen könnte: „Ach, dann gehe ich dann über die Grenze und da ist dann die Freiheit.“ Weil es dort eben genauso gewesen ist. Also ich war da ganz stark mit konfrontiert und bin auch jetzt noch mit diesem Gedanken konfrontiert, wem habe ich hier zu gehorchen und wie weit gehört auch dieses – also wie weit geht dieser Gehorsam. Wann ist da ein Schluss. Wann ist der Moment da, wo ich sage: „Okay, kein Bock.“ Ich bin jetzt alleine oder ich gehe jetzt alleine weiter. Das heißt alleine, ich ziehe mich raus. Wie zum Beispiel andere Leute sagen: „Ich gehe auf die Insel.“ Oder andere Leute sagen: „Ich gehe ins Baumhaus und esse nur das, was ich mir erjage oder was ich pflücke.“ Also!

Falk Al-Omary: Ja, dieses Aussteigen hat ja eine gewisse Romantik. Dann kommt ja so eine Robinson Crusoe oder Der Mann in den Bergen-Romantik in den Kopf. Esse ich jetzt nur noch Beeren. Und ich esse Tiere, die ich halt selber fangen kann und dann lebe ich auch zurückgeworfen auf meine reine Existenz im Einklang mit der Natur und bin mit mir alleine. So! Und dann kommen noch die Bilder von alten weisen Männern. Wenn der Lehrling zum Kung Fu-Meister geht, dann lebt er ja auch irgendwie alleine auf einem Berg. Das sind so die Assoziationen, die wir dann haben bei dem Thema Aussteigen. Wir romantisieren das extrem stark. Und den Mut haben natürlich in der Tat viele Menschen nicht. Wobei ich diese Frage spannend finde, was bewegt Menschen dazu, dem System wirklich in dieser Radikalität den Rücken zu kehren. Aber dazwischen gibt es ganz, ganz viele Graustufen. Das ist eben mein Weg, wo ich sage, ich bin gerne alleine und ich nehme an vielen Dingen nicht teil. Ich bin prima krankenversichert. Ich achte darauf, dass ich in kein Sozialsystem einzahle. Ich achte darauf, dass mein Unternehmen nicht so groß wird. Ich bin auch nicht angestellt, weil ich nicht in einem System sein will. Deswegen bin ich Unternehmer geworden. Meine Mitarbeiter sind meistens freie Mitarbeiter. Also man könnte ja auch sagen, es ist die ultimative Verantwortungslosigkeit. Ich will nicht in irgendwelchen Systemen zu sein. Ich habe auch keinen Bausparvertrag, weil ich keinen Bock habe, mit meinem Geld anderen ein Haus zu finanzieren. Das mache ich lieber selbst. Also du kannst in jeder Faser deines Seins versuchen, einen Weg zu finden, der maximal auf dich selbst und ohne Kollektiv klarkommt. Es gibt aber immer wieder Entscheidungen, wo ich sage, ich möchte an dem System nicht mehr teilnehmen. Vielleicht zwei, drei Beispiele. Ich kann ja für mich entscheiden, ich möchte dieses korrupte System der Fleischwirtschaft nicht mehr haben. Ich möchte keine Tiere töten. Ich möchte nicht rumänische Gastarbeiter ausbeuten. Ich möchte nicht, dass in einer Wertschöpfung Erniedrigung stattfindet, also werde ich jetzt Vegetarier oder Veganer. Ich kann sagen, ich finde die Politik bestimmter Länder nicht gut, deswegen kaufe ich deren Produkte nicht. Ich kann mich entscheiden, mein Sozialverhalten entsprechend frei zu wählen. Ich bin vor einigen Jahren, ich war früher sehr vernetzt und in sehr vielen Organisationen Mitglied, da muss ich sagen nein. Jede Organisation und jeder Verein ist qua Satzung dafür da, kollektiv Interessen zu vertreten, also den Querschnitt der Meinungen aller Mitglieder. Ich möchte aber Individualinteressen vertreten. Ich habe mich früher schon gefragt, warum brauche ich eine Schülervertretung. Wenn ich ein Problem habe, gehe ich selbst zum Direktor. Weil was brauche ich denn diese Quatschköpfe. So. Und da bin ich irgendwann aus allem ausgetreten. Ich bin sogar als Dreijähriger aus dem Kindergarten ausgetreten und habe dann eine Nanny bekommen, weil ich das irgendwie schon früher nicht wollte. Also irgendwie scheint mir das in den Genen zu liegen. Das heißt, ich kann jederzeit entscheiden, mich zumindest ein Stück weit rauszuziehen. Der Schritt des kompletten Auswanderns, Robinson Crusoe, Der Mann in den Bergen und ich gehe dann irgendwie nachmittags Fische pieken, wenn ich Hunger habe und mache mir Feuer mit einem Stein, das ist ja fast unmöglich in einer arbeitsteiligen Welt. Dafür sind wir einfach auch genau durch dieses Kollektiv zu verweichlicht. Wir sind ja nicht überlebensfähig, zumindest die Allerwenigsten, komplett auf uns zurückgeworfen. Also wird man Kompromisse finden müssen. Und genau diese Hilflosigkeit wird einfach wieder zur Verzweiflung treiben. Ich kann noch nicht einmal alleine im Wald leben.

Annette Müller: Ich bin da ganz bei dir. Es stimmt. Es ist wirklich, es konfrontiert einen mit einer gewissen Art der Hilfslosigkeit, weil man diesem Konstrukt einfach nicht entkommen kann. Es sei denn, du bringst dich um. Dann bist du weg. Andererseits, was mir jetzt eben aufgefallen ist, ist, wenn du so autark lebst, dann passiert ja eine sehr, sehr gute und meiner Meinung nach super gesunde Sache. Du fällst niemandem zur Last. Weil wir haben ja ganz viel Probleme, weil bestimmte oder viele Menschen anderen Menschen irgendwann einmal zur Last fallen. Das ist eine sehr, meiner Meinung nach, eine sehr gesunde Einstellung. Wenn du schon keinen Beitrag leisten kannst oder willst, dann fall wenigstens anderen nicht zur Last. Und wenn wir das hier berücksichtigen würden, wären ganz viele Probleme auf einmal verschwunden.

Falk Al-Omary: Das ist ja genau meine Haltung. Wobei das eben auch schwierig ist. Man lässt dich ja nicht in Ruhe in dem Sinne, dass du keinem zur Last fällst. Ein Beispiel: viele Leute waren ja gegen diese Corona-Maßnahmen. Und da gab es ja sehr viele Posts auch auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken. Und irgendwann gab es dann so ein gefaktes Formular. Wenn du so und so denkst, ich halte Corona für Unsinn und für eine Lüge, verzichte ich auf mein Beatmungsgerät. Das habe ich öfter zugeschickt bekommen. Dann mach das. Wenn du so denkst, dann stirb doch auch. Da sage ich, ja klar, bin ich bereit zu. Ich möchte nicht beatmet werden. Ich halte das für falsch. Ich finde die Maßnahmen falsch und ich bin bereit, mich in der Tat rauszuziehen, ich möchte eure Hilfe nicht. Ich komme alleine zurecht. Ich möchte keine staatliche Rente. Ich möchte nicht in einem Krankenversicherungskollektiv sein. Ich möchte nicht von Steuern partizipieren. Also ich sehe den Staat als Dienstleister, dem gebe ich ein bisschen Geld, damit er meine Straßen baut und meine Sicherheit gewährleistet. Das ist ja noch irgendwie okay. Das ist ein klarer Deal. Aber ich möchte diese Fürsorgepflicht des Staates nicht. Die lehne ich komplett ab. Ich komme mit mir selber klar. Und wenn mein Weg in eine radikale Armut führt und ich am Straßenrand verrecken muss, weil ich nichts mehr habe, dann ist das die Konsequenz einer Lebensentscheidung, die der Staat zu akzeptieren hat. Was passiert aber? Dir wird zwangsweise geholfen. Du wirst als alter Mensch zwangsernährt. Du wirst, wenn du dich so verhältst und so etwas sagst, möglicherweise noch für verrückt erklärt und in irgendein Heim gesteckt. Weil das ist eben so krass radikal für das Mindset der Gesellschaft, dass man das ja gar nicht zulässt. Weil der Staat seine Fürsorge, seinen Paternalismus auslebt. Und da bin ich eben total konsequent. Aber das hält eine Gesellschaft eben nicht aus. Dann wird eben gesagt: „Ja, du hast ja leicht reden. Du hast gute Startchancen gehabt, du hattest ein gutes Elternhaus, jetzt hast du einen guten Beruf. Du kannst ja auch. Andere können das nicht.“ Und da sage ich, doch, sie könnten, wenn man sie nur ließe. Wenn das die Philosophie wäre, dass ich für die Konsequenzen meines Handelns bis zum absoluten Existenziellen, bis zum Untergang haften müsste, dann hätte ich die Selbstverantwortung und die Freiheit und die Entscheidungsoptionen mir vorher durchdacht. Weil der Staat paternalistisch ist, nimmt er uns die Möglichkeit, ein solches Leben überhaupt zu führen. Und da liegt genau die Problematik, weswegen ich diese Staatenlosigkeit so faszinierend finde. Lass mich meinen Weg doch bitte ganz konsequent zu Ende gehen.

Annette Müller: In dem Moment kann man Dein Leben aber nicht mehr verwerten. Also für mich leben wir hier und unser Leben wird verwertet, ausgewertet. Also alles, was wir eben machen, dient etwas anderem. Zum Beispiel die Krankheit. Krankheit und Alter ist ein unglaublicher Faktor, der zum Reichtum der Gesellschaft beiträgt. Es ist ja nicht so, dass die Krankheit etwas kostet. Das ist überhaupt nicht so. Sondern an der Krankheit wird verdient. Es ist auch nicht so, dass das Alter sozusagen Geld kostet, sondern am Alter wird reichlich verdient. Und wenn jeder aussteigen würde, würden so wahnsinnig viele Verdienstmöglichkeiten ausfallen, weil sich dann jeder um seine Gesundheit kümmern würde. Er weiß nämlich, okay, es ist niemand da, der mich da raus rettet. Das heißt, ich passe wesentlich besser auf mein Leben auf. Oder auch, man würde eben schauen, wie erhalte ich meine Gesundheit, dass ich eben im Alter anderen nicht zur Last falle. Vielmehr ich sehe es anders, dass im Alter an mir nichts verdient werden kann.

Falk Al-Omary: Wobei, den Punkt teile ich explizit nicht. Ich nehme ja als Konsument auch nicht ungerne teil. Wenn ich krank bin, gehe ich zur Apotheke, kaufe mir ein Medikament. Oder ich gehe zum Arzt, der mich behandelt. Dann bringe ich Geld in den Kreislauf, das mache ich ja gerne. Diese Art Isolationismus habe ich jetzt nicht. Nur, wenn es eben kein – nehmen wir das Beispiel Corona. Ich möchte das Recht haben, an diesem Virus zu erkranken. Ich suche das Virus nicht. Aber wenn es mich trifft und ich sterbe dran, dann ist das eben so. Genauso hätte ich an Krebs sterben können oder einen Autounfall haben können, da schützt mich auch keiner vor. So. Dann muss aber nicht die ganze Bevölkerung in Sittenhaft genommen werden. Das heißt aber nicht, dass, wenn es einen Impfstoff gibt, ich mir den nicht kaufe und ihn mir spritzen lasse, um mich davor zu schützen. Also ich will nicht zurück ins Mittelalter oder in die Steinzeit oder zu irgendwelchen Urvölkern, wo man jetzt im Grunde gar nichts tut. Auch diesen Aussteigergedanken verstehe ich und der ist für einige konsequent. Aber das ist gar nicht mein Ansinnen. Mein Ansinnen ist, ich möchte so wenig wie möglich teilhaben, möchte aber schon auch von der arbeitsteiligen Gesellschaft profizieren. Natürlich, ich gebe Menschen Arbeit. Ich beschäftige die und zahle ihnen einen Lohn. Ich produziere Ideen, die meine Kunden und die Welt idealerweise bereichern. Da habe ich eine Interaktion und auch eine gesellschaftliche Interaktion, die gerne auch den Wohlstand aller nähren darf. Und obwohl ich Steuergegner bin, darf auch gerne der Staat irgendetwas abschöpfen und dann für mich Straßen bauen und andere Dinge tun. Das ist erst mal nicht mein Problem. Aber genau da muss es dann auch aufhören, wo ich eben nicht mehr das System durch meine eigene Wertschöpfung steuern kann. Es hört dann auf, wo ich in eine Krankenversicherung gezwungen werde. Das möchte ich frei entscheiden können. Gut, jetzt bin ich privat versichert, damit komme ich noch klar. Aber wenn ich in eine Rentenversicherung gezwungen werden. Auch da bin ich Gott sei Dank nicht drin. Aber ich habe ja neben meinem eigenen Einflussbereich extrem viel, was mir obturiert wird, was wir eben Staat oder Gesellschaft nennen. Und da stoße ich eben an Grenzen. Ich habe kein Problem mit Interaktion, solange ich sie individuell bestimmen kann. Und ich ziehe mich so weit wie möglich aus dieser Interaktion zurück, weil, wie am Anfang gesagt, ich nachher gerne alleine bin. Also ich versuche die auf ein Minimum zu reduzieren. Ich habe aber kein Problem damit, dass ich eine Wertschöpfung betreibe, von denen auch andere partizipieren, um dann den gesamten Wohlstand… Warum sagst Du, Du wirst verwertet.

Annette Müller: Naja, ich meinte damit ja nicht, das was man freiwillig gibt oder was man eben dazu beiträgt, in dem man aktiv ist. Sondern ich meinte eben diese Zwangsverwertung. Es gibt ja sehr viele Dinge, in die wir hineingezwungen sind. Und das halte ich für eine Verwertung. Eine Auswertung des menschlichen Daseins, ein finanzielles, eine finanzielle Betrachtung, die eben gerade mit Krankheit oder gerade mit bestimmten Tätigkeiten einher ging. Wo man eben nicht sagen kann: „Ich mache das nicht“. Das beste Beispiel ist zum Beispiel jetzt dieser Krankenversicherungszwang. Also wenn du nicht privat versichert bist oder überhaupt hier lebst, in Deutschland zum Beispiel bist du seit 2004 gezwungen, in eine Krankenversicherung zu gehen. Das heißt, du hast nicht mehr das Recht, krankenversichert zu sein, weil diese Krankenversicherung, diese Versicherungspflicht wurde ja nicht als Versicherungspflicht tituliert, sondern sie wurde ja explizit als Krankenversicherungsrecht uns verkauft. Und aus diesem Recht ist natürlich dann kein Recht geblieben, sondern es wurde zu einer Pflicht umgewandelt. Das heißt, jeder Einzelne kann jetzt zum Beispiel schon in der letzten Konsequenz gar nicht mehr sagen: „Ich kaufe mir hier ein Stückchen Wald vom letzten Geld. Das gehört jetzt mir. Ich lebe dort jetzt im Baumhaus. Ich jage mir das, was ich essen will und pflücke mir die Früchte. Wenn mir im Winter kalt ist, ist mir halt kalt. Das ist meine eigene Sache.“ Nein, er muss ja in diese Krankenversicherung hinein.

Falk Al-Omary: Das Baumhaus müsstest du ja irgendwie auch als meldefähige Adresse dem Staat zur Verfügung stellen und du musst ja Post empfangen können. Also denke ich, aussteigen ist echt schwierig.

Annette Müller: Ist wahnsinnig schwierig. Ja, das muss sein. Und dann musst du dir überlegen, okay, da kommt dann jemand, der sagt: „Wie bitte? Du hast da eine meldepflichtige Adresse, aber du willst jetzt kein Geld mehr verdienen. Ja, wie ist das denn mit dieser Krankenversicherung?“ Und dann müssen wir uns überlegen, was passiert denn dann. Dann wirst du sozusagen in Anführungsstrichen freiwillig pflichtversichert. Dann hat diese Krankenversicherung das Recht, von dir Geld zu verlangen. Das heißt also, du hast automatisch bei dieser Versicherung Schulden, weil du diese Versicherung nicht bezahlt. Was passiert dann? Dann nehmen sie dir dieses Grundstück weg und du musst von deinem Baumhaus wieder ausziehen und wirst in diese Gesellschaft hineingezwungen. In dieser Gesellschaft, was machst du dann?

Falk Al-Omary: Das ist ja so. Und das, was Du sagst, findet ja an mehreren Ecken auch statt. Genau diese Umwidmung. Also die Fürsorge wird nicht mehr als Pflicht, sondern als Recht getarnt. Ein Beispiel, über das sich viele Unternehmer ärgern, ist die Industrie- und Handelskammer. Viele sprechen von einem Zwangsbeitrag. Das Gesetz sagt, die Selbstorganisation der Wirtschaft in Form von Kammern ist ein Privileg. Ich muss aber meinen Beitrag bezahlen, obwohl in vielen Geschäftsbereichen mir die IHK sogar eine Konkurrenz ist, die dann wiederum Partikularinteressen vertritt und nicht mein Interesse. Weil es eben auch eine Organisation ist. Und so wird unheimlich oft aus dem Prinzip der Solidarität und des Gemeinwesens heraus ein System geschaffen, dem wir uns am Ende des Tages unterzuordnen haben im Sinne der Gemeinschaft. Und wenn ich jetzt eben keinen Bock mehr genau auf diese Gemeinschaft habe, weil ich sage, ich komme alleine besser klar. Also ich hätte auch sonst eine Krankenversicherung, weil ich das für sinnvoll halte. Aber ich möchte das bitte frei entscheiden können. Wenn ich Multimillionen hätte, könnte ich meine Operation auch Cash bezahlen. Warum soll ich dann Beiträge bezahlen? Nur damit andere davon profitieren. Das habe ich öfter schon im Podcast gesagt. Ich bin gegen diese Zwangssolidarität mit anonymen Dritten. Und nichts anderes ist Staatlichkeit. Und der Ruf nach Solidarität, der ja allenthalben aus allen Parteien und Medien schallt, ist ja nichts anderes als der Wunsch, dass einige für andere aufkommen. Weil die ihr Leben nicht in den Griff bekommen. Starke Schultern können mehr tragen ist dann ja immer auch so ein Kampfbegriff und so ein Standardargument. Und das ist genau diese Zwangssolidarität, die ich meine und gegen die ich mich wehre. Ich hätte gerne die Chance, mich alleine oder mit ein paar Gleichgesinnten mich irgendwo zu absentieren. Und das gar nicht in Feindschaft gegenüber dem System. Also dass andere diesen Wunsch haben, ist ja in Ordnung. Aber ich hätte in der Tat gerne konkrete Ausstiegsszenarien. Und ich meine jetzt nicht solchen Reichsbürgerquatsch. Das ist natürlich alles unsinnig, meinen eigenen Staat aufrufen. Aber ich finde, das oberste Prinzip oder das oberste Grundrecht eines Menschen ist zunächst einmal in Ruhe gelassen zu werden.

Annette Müller: Freiheit.

Falk Al-Omary: Und dann möchte ich mich bewusst entscheiden. Ich möchte quasi lieber einem Verein sagen können, okay, ich entscheide mich dem Verein Krankenversicherung beizutreten. Ich entscheide mich, dem Verein Kirche beizutreten. Ich entscheide mich, dem Verein der Steuerzahler beizutreten, weil ich die Straßen benutzen will. Dieses aktive Entscheiden, dieses Auswählen, diesen Leistungskatalog des Staates wie im Online Shopping zu haben, das wäre für mich so eine Möglichkeit. Und dann würden viele Menschen sehr viele Kreuze machen. Aber im vollen Bewusstsein und in ihrer freien Entscheidung. Und ich würde wie jetzt auch, so wenig Kreuze wie möglich machen.

Annette Müller: Wie schaffen wir das ab jetzt alleine. Also ich sehe da keine Möglichkeit. Ich sehe keine Ausstiegsmöglichkeiten. Ich sehe, dass ab jetzt alleine definitiv die Freiheit im Geist. Weil die körperliche Freiheit ist meiner Meinung nach nicht möglich.

Falk Al-Omary: Zumindest nicht in der radikalen Form, wie wir sie hier diskutieren. Also ich sehe im Grunde auch nur zwei Wege. Gut, du hast noch gesagt, du kannst dich umbringen. Das wäre jetzt mal eine ziemlich finale Entscheidung, lassen wir die mal außen vor. Aber es gibt im Grunde ja zwei Möglichkeiten. Zweieinhalb vielleicht. Die eine ist ja, du musst, so wie ich es auch mache, an möglichst wenig teilnehmen. Das heißt, du musst dein Leben so einrichten, dass du möglichst wenig Berührungspunkte hast. Das hieße Selbstständigkeit statt angestellt sein. Das hieße privat versichert statt gesetzlich versichert. Das hieße private Vorsorge statt öffentliche Vorsorge. Das hieße, wenn du Kinder hast, Privatschule statt öffentlich-rechtliche Schule. Also da gibt es ja Möglichkeiten, um das zu reduzieren. Digitalisierung wird es noch erleichtern. In dem Moment, wo ich eben sage, ich kann mein Geld auch digital verdienen, kann ich in der Tat meine Abhängigkeiten reduzieren. Zumindest auch in dieser Form der Interaktion mit anderen Menschen. Also diese Möglichkeiten habe ich. Ich bin aber immer noch Staatsbürger, immer noch Steuerzahler, immer noch in dieser Zwangsgemeinschaft. Der andere Weg wäre, zu sagen, okay, ich suche mir einen Staat, der freiheitlicher ist. Allerdings sind die USA freiheitlicher als Deutschland. In manchen Bereichen, zumindest steuerlich und unternehmerisch, ist die Schweiz oft freiheitlicher als Deutschland. Wenn es aber darum geht Tempolimit und irgendetwas auf die Straße werfen, ist es wiederum viel konservativer. Also man muss da Kompromisse machen. Aber natürlich steht es mir frei, in ein Land zu gehen, in dem wenig Gesetze herrschen. Das ist dann wahrscheinlich eher die weniger so zivilisierte Welt, wo dann ein bisschen mehr noch das Faustrecht gilt. Da kann ich mir natürlich ein Stückchen Land kaufen, mir eine große Mauer drum herum bauen und wenn ich es mir leisten kann, eine Privatarmee bezahlen. Natürlich kann ich mit Wohlstand einen gewissen Ausbruch ermöglichen und mir einfach meine eigenen Räume schaffen. Aber ich werde niemals komplett ohne irgendwelche Staatlichkeit sein. Oder ich muss eben wirklich sagen, ich gehe rein in die Welt des Geistes, das ist ja eher auch Dein Thema, ich werde dann irgendwie auf einer spirituellen Ebene – ich mache jetzt einen auf Guru und meditiere nur noch und versuche, ob ich mich irgendwie durch Photosynthese ernähren kann. Und nehme an diesem ganzen Leben nur noch ganz, ganz bedingt eben teil. Akzeptiere dann auch, das ist der andere Weg, der eine wäre über Wohlstand, der andere wäre über kompletten Verzicht. Ich konsumiere nur noch das Allernötigste. Ich reduziere sämtliche Güter um mich herum. Und ich finde durchaus auch den Gedanken lohnenswert, machen mich eigentlich Besitz nicht unfrei. Also der Meinung bin ich teilweise durchaus. Wenn ich denke, was hast du eigentlich für Krempel um dich herum. Das ist doch im Grunde alles nur Ballast. Und den Weg zu gehen, zu sagen, ich entsage diesem ganzen Kram, kein Auto und kein Haus, ich lebe von mir aus nur noch im Hotel oder in irgendeiner Waldhütte, ich konsumiere nur noch das Allernotwendigste und ich verdiene nur noch so viel Geld, dass an mir dann auch keiner mehr irgendwie partizipiert. Also wenn ich wenig verdiene, zahle ich auch keine Steuern. Wenn ich nichts verdiene, kann ich mich auch von der GEZ befreien lassen. Das ist auch so ein Zwangssystem. Das geht natürlich auch. Also ich kann mich für den Weg der Armut und Isolation und Bescheidenheit und Konsumverzicht entscheiden. Ich kann mich für den Reichtum entscheiden und Abgrenzung, indem ich sage, ich bin etwas anderes, etwas Besseres, ich isoliere mich. Oder ich gehe in die Welt des Inneren. Das sind die drei Wege, die ich sehe, um das zumindest zu reduzieren. Der letzte Gedanke, ich gehe auf diesen Verzichtsweg, würde deiner Verwertbarkeit, die ich explizit nicht teile … also ich fühle mich nicht verwertet, ich leiste meine Beiträge schon relativ freiwillig. Aber dem würde ich natürlich damit auch entgegentreten, wenn ich eben sage, ich spiele das hier nicht mehr mit. Und das ist ja genau das Motiv vieler Aussteiger. Reiche Börsianer und Top-Bänker, die sagen: „Hey, ich habe auf diesen ganzen Kram hier keinen Bock mehr. Diese Welt der Finanzen, dieses entmenschlichte Wirtschaften. Ich gehe jetzt wirklich in den Wald.“ Das gibt es ja. Der Wunsch auszusteigen, kommt ja immer aus irgendeiner Frustration, die im Kollektiv entstanden ist.

Annette Müller: Jetzt würde ich mir natürlich dann wünschen, dadurch, dass ich ja sehr gerne Beitrag zu einer Veränderung leiste, dass diese Menschen, die also in der Einsamkeit, in dieser Entsagung etwas gelernt haben, zurückkommen, um ihren Beitrag zu einer Veränderung eben zu leisten. Um eben hier ein Umdenken mit zu katalysieren. Weil ich denke mal, dass wir ganz viele Chancen haben für eine bessere Welt, für eine Bewusstseinserweiterung, für eine Entwicklung der Menschlichkeit, für Intelligenz, für Kreativität, für Genius. Und meine Frage jetzt noch mit dieser Armut, dieser absoluten Armut, und du sagst ja, du siehst dich nicht als Objekt oder als Mensch, den man verwertet. Aber stell dir vor, die Obdachlosen werden auch verwertet. An Obdachlosen wird verdient. Man kümmert sich um Obdachlose und es gibt Vereine, die an Obdachlosen verdienen. Die kriegen unglaublich viel Geld vom Staat. Das ist so.

Falk Al-Omary: Ja, das nennen wir Sozialwirtschaft.

Annette Müller: Aber es ist Verdienst.

Falk Al-Omary: Ja. Also ich teile die Ausprägung sind. Ich sage mal, es steht mir natürlich auch als Obdachloser frei, nicht in das Obdachlosenheim zu gehen, sondern auf der Straße zu erfrieren. Also in der Radikalität zu sagen, ich will die Hilfe nicht. Die steht denen schon frei. Dann kannst Du natürlich sagen: „Naja, dann verdient aber immer noch der Leichenbestatter daran und derjenige, der die irgendwie abholt.“ Also wenn wir das auf diese Ebene zurückbringen, am Ende wird natürlich jede Leistung irgendwo bezahlt werden müssen und natürlich ist es auch eine Leistung, den verstorbenen Obdachlosen dann noch irgendwie würdig zu beerdigen und natürlich ist es auch eine Leistung, ihm eine Suppe zu geben. Das finde ich aber auch in Ordnung. Wir haben in anderen Folgen schon darüber gesprochen, dass jede Leistung einen Wert haben muss und gut honoriert werden muss. Und warum nicht auch damit. Das finde ich weder entmenschlichend noch fühle ich mich verwertet. Was ich aber fühle, ist eine extreme Unfreiheit und Bevormundung in einem Paternalismus. Und Du hattest ja gesprochen, vielleicht tue ich ja etwas Gutes, wenn ich mich auch isoliere. Das stimmt auch. Wir haben in dem Thema, wir haben auch schon viele Folgen gemacht zum Thema Klimawandel, wir machen das ja schon ein bisschen länger. Und gerade ist Corona ja so ein Riesenthema, davor war der Klimawandel der Mörderhype.

Annette Müller: Ist eben auch CO. Corona. CO2.

Falk Al-Omary: Ja, ja. Und da war ja schon die Frage, landen wir in einer Ökodiktatur. Also das wäre dieser extrem kollektivistische Ansatz. Wir müssen das Diesel fahren einschränken, du musst kleinere Wohnungen haben, du darfst nicht mehr konsumieren. Also diese Ökodiktatur. Ein gesellschaftliches Kollektiv, das seine Normen in Bezug auf Nachhaltigkeit anderen obturiert. Oder, und das wäre ja das Gegenmodell, das wir gerade besprechen, gehe ich in eine Art Ökoanarchie. Ich ziehe mich jetzt zurück und verzichte auf den Konsum und ich esse nur noch das, was ich selber fangen oder pflücken kann und lebe damit im Einklang mit der Natur. Dann bin  ich wieder bei dieser Der Mann in der Bergen-Romantik. Wobei ich schon Dusche und Seife und so etwas auch irgendwie ganz cool finde. Aber wenn ich das natürlich in extenso betreibe, tue ich natürlich auch etwas für eine gesellschaftliche Entwicklung. Und das wäre ja das Gegenmodell. Das heißt, selbst wenn ich als Gesellschaft bestimmte Normen definiere, kann ich in ihnen immer noch einen isolationistischen Freiheitsgrad entfalten und einen Weg finden, das in Einklang zu bringen. Um den Kompromiss, um den werden wir wahrscheinlich nicht umhin kommen.

Annette Müller: Ja. Wobei ich da jetzt wieder Einspruch erhebe, weil auch das nicht erlaubt wird. Es ist ja so, dass wenn du sagst, ich bin Selbstversorger, wir sind ja schon so weit, dass es uns untersagt ist, die die Samen oder die Früchte über Samen selbst zu vermehren, wenn es nicht das eingetragene Saatgut ist. Und das darfst du selbst nicht mehr als Privatperson. Also für mich ist das der Wahnsinn.

Falk Al-Omary: Klar. Wir sind, egal wo wir hinkommen, an irgendwelche Regeln gebunden. Das andere Extrem wäre eine Art Anarchie. Die kann man sich wünschen. Aber wir sind auch überreguliert. Also wir haben Maß und Mitte verloren.

Annette Müller: Komplett.

Falk Al-Omary: So. Und da liegt eben schon in der Tat auch ein großes Problem. Und das ist auch das, was wir als Ohnmacht empfinden. Ich verstehe dich auch nicht so, dass du wirklich gegen jede Regel bist. Und auch ich bin nicht gegen jede Regel. Also ich sage mal, ich finde schon irgendwie gut, dass man auf der Straße nicht einfach erschlagen wird. So ein paar Dinge haben sich auch bewährt in unserer Zivilisation. Aber der Freiheitsgrad ist auf unwahrscheinliche Weise durch den Gedanken Schutz, Fürsorge, Sicherheit, Vorsorge eingeschränkt worden, dass sie in extrem viele Lebensbereiche hineinreicht.

Annette Müller: Und warum macht uns genau das, was so gut klingt, so unglücklich? Weil meiner Meinung nach wir über diese Worte belogen werden. Schutz ist kein Schutz. Schutz ist Zwang. Der versteckt sich hinter dem Schutz. Also das haben wir doch jetzt auch gemerkt. Ja, also ich meine, es ist jetzt zu dem Zeitpunkt unseres Podcasts heute ist immer noch nicht bewiesen, ob dieses Virus wirklich so tödlich gewesen wäre, wenn dieser Lockdown nicht stattgefunden hätte, ja, oder ob das nicht vielleicht von ganz alleine vorbeigegangen wäre, wie ansonsten auch eine Virusinfektion. Dass die Herdenimmunität hätte entstehen können. Das wissen wir heute noch nicht. Aber dieser Schutz, war das wirklich ein Schutz oder was für eine Agenda verbirgt sich unter Umständen dahinter oder hat sich dahinter verborgen und wir kommen erst in einem Monat oder vielleicht in einem Jahr oder in zwei oder in zehn dahinter.

Falk Al-Omary: Naja, also es gibt – also wir werden natürlich gucken können, was ist in Weißrussland passiert. Da gab es ganz wenige Maßnahmen, ist die Todesrate deutlich höher. Beispiel ist ja immer Schweden. Man sagt, dann hat man zwar Abstandsregeln gemacht, aber man hat nicht alles geschlossen. Also man wird verschiedene Staaten als Experimentierfeld in ihren Maßnahmen nutzen können, um bestimmte Dinge zumindest zu errechnen. Radikal laufen lassen hat kein Staat gemacht, dieses Experimentierfeld fehlt einfach. Aber es ist schon bewiesen, dass das Laufen lassen des Virus mehr Corona-Tote gebracht hat. Die Zahl finde ich aber relativ irrelevant. Weil ich muss die Zahl der anderen Toten, die durch nicht stattgefundene Operationen, die an Krebs gestorben sind, die aus wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit sich suizidiert haben, die muss ich drauf rechnen. Das Verhältnis wird viel interessanter sein für die Bewertung war der Lockdown richtig oder falsch. Darauf will ich aber gar nicht hinaus. Unsere Gesellschaft – weil du eben sagtest, warum sind viele so unzufrieden. Also viele sind, glaube ich, eher wenige. Das sind Menschen wie wir. Die Mehrheit möchte diesen Schutz. Deswegen applaudieren sie ja auch gerade diesen staatlichen Maßnahmen. Sie haben erst applaudiert, als der Lockdown kam und sie applaudieren jetzt, als der Staat die selbst geschaffenen Probleme mit Subventionen und Förderprogrammen heilt. Danke Staat, dass du unsere Wirtschaft rettest, die du vorher selbst zerstört hast. Das ist ja die Mentalität, die herrscht. Die Menschen wollen diesen Schutz, die können diese Freiheit nicht in Konsequenz denken, weil Freiheit eine Kehrseite hat. Und das ist die Selbstverantwortung oder negativ ausgedrückt, es ist die Haftung bis zum Äußersten. Und die Haftung möchte eine Vollkaskogesellschaft, wie wir sie nun mal sind, am Ende des Tages nicht übernehmen. Die Bereitschaft zu sagen, ich sterbe in bitterer Armut allein am Straßenrand, um das von eben noch mal aufzugreifen, haben halt nicht viele. Und da kann man auch sagen, hast ja leicht reden, es ist ja nicht so weit, das wird ja nicht passieren. Genau, weil der Staat eben dafür sorgt, dass es nicht passiert. Und diese archaische Gesellschaftsstruktur ist nicht durchsetzbar. Das halten wir medial nicht aus. Wir können diese Bilder nicht ertragen, um das Beispiel des Obdachlosen zu nehmen. Wir können nicht ertragen, wenn in einem Land Armut ist. Wir können nicht ertragen, wenn andere Leute dann wirklich in dieser Haftung sind. Das halten wir als Gesellschaft nicht aus. Und wir kleben dann einen Ethik-Stempel drauf. Wir nennen das Zivilisation.

Annette Müller: Das ist unsere Gesellschaft hier. Also wir sprechen von hier. In anderen Ländern ist das ganz anders. Andere Länder halten das sehr wohl sehr gut aus, zum Beispiel sich ständig und jeden Tag mit bitterer Armut zu konfrontieren und konfrontiert zu sein. Einfach weil es zu dieser Kultur auch mit dazu gehört. Wie zum Beispiel das Land Indien, ja, wo du überall mit bitterer Armut konfrontiert bist. Und ich kann dir sagen, du wirst dich an diesen Anblick auch gewöhnen. Auch wenn es am Anfang sozusagen unglaublich schockiert, das zu sehen. Irgendwann ist das auch ein Anblick, an den man oder an den ich mich auf jeden Fall gewöhnt habe. Obwohl ich das doch immer nicht gut finde. Aber auch dort wird an der sogenannten Armut, die wird auch verwertet. Das ist auch eine große Einnahmequelle. Es gibt dort NGOs, die sich um bestimmte Dörfer, arme Dörfer oder Armut kümmern und bekommen dafür ganz viel Geld. Also das will ich damit sagen. Es ist eine schwierige Geschichte. Also ich gehe lieber den Weg in die Freiheit über den Kommerz sozusagen, über den Konsum, in dem ich Werte in dieser Welt schaffe, die dann auch jemand möchte, für dich ich dann eben auch bezahlt werde und erkaufe mir da so weit wie möglich meine sogenannte scheinbare, flüchtige Freiheit.

Falk Al-Omary: Was am Ende aber dann bedeuten würde, nur Wohlstand macht dich wirklich frei, weil ich dann mir ein Stück Freiheit kaufen kann. Und das ist ja auch staatlich in der Tat sogar so gewollt. Wenn man das weiter denkt, ich kann mich privat versichern, weil ich selbstständig bin oder wenn ich genug verdiene, um über der Beitragsermessungsgrenze zu liegen. Das heißt, ich habe bestimmte Privilegien der Freiheit nur durch ein bestimmtes Einkommen oder einen bestimmten Wohlstand. Im Grunde ist da der Staat ja auch nicht folgerichtig. Und das ist im Grunde auch das, was letztlich gewollt wird. Dann würde aber eine Radikalökonomisierung der Gesellschaft gar nicht mehr Freiheit bedeutet. Das würde aber jeder linke Sozialökonom natürlich bestreiten. Aber ich bin an dem Ergebnis auch. Und ich komme an einem anderen Punkt dazu, um dann den Bogen zu schließen. Ich glaube, es gibt keine ehrlichere Beziehung in der Interaktion von Menschen, als sich das zu kaufen, was man möchte. Ich bin nicht mehr auf der Ebene, wo ich netzwerke. Früher fand ich netzwerken ganz toll. Tue dir einen Gefallen, dann tust du mir ein Gefallen. Ich möchte möglichst keine moralischen Obligos haben. Ich möchte kein Schuldverhältnis haben, auch nicht auf der Gefälligkeitsebene. Die ehrlichste Form der Anerkennung ist die, wenn du mir etwas gibst, was du produziert hast, ich kaufe es und mit dem Geld sind wir aller Pflicht ledig. Wir haben ein Geschäft gemacht und danach trennen wir uns. Wir machen gerne ein weiteres Geschäft. Aber am Ende des Tages fließt Geld gegen Leistung. Das ist die ehrlichste Sozialbeziehung, die ich sogar ehrlicher finde als Freundschaft. Ich halte Freundschaft in ganz, ganz vielen Bereichen für Lüge, für Ausnutzerei und für Heuchelei. Ich halte in der Tat dieses rein ökonomisierte Betrachten für grundehrlich. Und betrachte es in der Tat auch als Teil einer Freiheitsbewegung. Und ich glaube, dass viele Unternehmer das auch antreibt, mehr zu erwirtschaften, um mehr Freiheit zu haben. Auch die Freiheit, das Geld zu reinvestieren, um anderen Menschen zu erlauben. Also es ist nicht zwingend eine egoistische Betrachtungsweise, es ist auch eine, die insgesamt, die Menschen insgesamt oder die Gesellschaft nach vorne bringt. Aber eine Art Freiheitsökonomie zu etablieren, neben dem Thema auch intellektuell sich weiterzuentwickeln und das Bewusstsein zu erweitern, also dieses innere Thema, das davon auch gar nicht zu trennen ist möglicherweise, das würde die Gesellschaft aus meiner Sicht total weit nach vorne bringen.

Annette Müller: Bin ich ganz bei dir. Bin ich ganz deiner Meinung. Und es ist auch so, dass ich sehr, sehr gerne für Dienstleistungen zahle, weil ich das merke, ich entschulde mich damit. Ich stehe nicht mehr in der Schuld. Ja. Jetzt waren wir ab jetzt allein, nein, so geht es nicht. Leider oder auch sehr gut. Und wenn wir jetzt sagen würden, ab jetzt ganz allein, hätten wir ja noch nicht mal mehr eine Zuhörerschaft hier in diesem Podcast.

Falk Al-Omary: Ja. Und keine lieben Helfer, die das aufnehmen. Insofern ganz allein wird es nicht funktionieren. Wie gesagt, es sei denn Der Mann in den Bergen. Aber auch das ist schwer zu ertragen. Nicht umsonst ist in vielen Ländern Isolation auch Folter. Also dieses radikale Entsagen, dieses Asketische ich gehe ins Kloster halte ich auch für eine Romantisierung der Freiheit.

Annette Müller: Also wir freuen uns darauf, das nächste Mal auch nicht allein zu sein, beim nächsten Podcast. Und laden Sie ein, dann wieder mit einzuschalten, dabei zu sein und freuen uns auf das nächste Mal. Bis dahin Tschau.