Episode #39 Freiheit die ich meine

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Annette Müller: Einen schönen guten Tag und herzlich willkommen zum Podcast „Gedanken zur Menschlichkeit“. Heute hier zu Gast als Gesprächspartnerin: Nicole M. Pfeffer von marketing mit Pfeffer. Was damit gemeint ist, werden wir gleich hören. Zuvor allerdings: Herzlich willkommen zum Thema „Die geheime Heldin, Frauen in der Gesellschaft“. Gemeinsam mit Nicole habe ich mir das ganz spannende Thema herausgesucht: „Freiheit, die ich meine“. Wie viel Jeanne d’Arc darf in uns stecken? Herzlich willkommen, hier, Nicole M. Pfeffer.

Nicole M. Pfeffer: Halle, liebe Annette. Schön, dass ich da sein darf.

Müller: Magst du dich unserem Publikum noch etwas näher vorstellen, bitte?

Pfeffer: Ja, du hast ja schon ein bisschen was verraten. Ich bin Nicole M. Pfeffer, komme aus Nordbayern. Habe ein kleines Unternehmen mit dem Namen marketing mit Pfeffer, bin Vorsitzende des Deutschen Managerverbands und Vorbildunternehmerin des Bundeswirtschaftsministeriums für Wirtschaft und Energie. Wir begleiten, wir beraten, wir unterstützen Unternehmen und Menschen dahingehend, auf dem Markt sichtbar zu werden, ihr Unternehmen vielleicht ein Stückweit in die Zukunft zu führen, indem wir mit kreativen und modernen Ansätzen strategisch an ihrer Seite sind.

Müller: Und soweit ich gehört habe, konzentrierst du dich auf die weibliche Hälfte unserer Gesellschaft, ist das richtig?

Pfeffer: Ja, eigentlich ungewollt, denn ich bin weder Emanze noch Quotenfrau, sondern habe eigentlich ein Faible dafür, Leistung und Ergebnisse zu bringen. Und ich hatte in den letzten Jahren immer häufiger festgestellt, dass diesen gleichen Anspruch sehr viele Frauen einfach auch hegen und damit ihren eigenen Weg gegangen sind. Ich habe mittlerweile ein Netzwerk, das sich gegenseitig unterstützt, und ich versuche da natürlich, die Heldinnen des Alltags, so will ich es mal sagen, ein Stückweit zu unterstützen, ein Stückweit zu begleiten, um da wirklich auch mehr Sichtbarkeit, mehr Raum zu schaffen für erfolgreiche Frauen.

Müller: Das spricht mich sehr an, also insbesondere als Frau und Unternehmerin. Und was dich jetzt gerade im Moment besonders auszeichnet, ist, dass du diese Krise, in der ja viele Unternehmen sich im Moment wiederfinden, als Chance begriffen hast. Du hast im Prinzip aus dieser Krise sogar einen Erfolg gemacht. Habe ich das richtig verstanden?

Pfeffer: Ja. Mein Team – übrigens nur Frauen – und ich, wir haben schon immer geguckt, wo können wir mit Unternehmen neue Wege gehen und Dinge sichtbar machen, die vielleicht der Unternehmer oder die Unternehmerin nicht so unbedingt im Fokus oder auf dem Radar hat. Bei uns hat Ende Februar schon der Krisenmodus voll zugeschlagen, weil knapp 85 Prozent unseres Geschäftes weggebrochen sind. Wir haben dann voll in den Kreativmodus umgeschaltet. Also wir haben bewusst im Team gesagt: Okay, Krise heißt auch Chance, wie nutzen wir das? Wir haben insbesondere festgestellt, dass Unternehmerinnen und Frauen auf uns zugekommen sind und gesagt haben: „Mensch, wir haben die und die Situation, uns reicht es aber nicht.“ „Wir stehen gerade an einem Punkt, wo es nicht weitergeht, könnt ihr uns mit eurer kreativen Art und Weise weiterhelfen?“ Und dadurch ist sehr viel Dynamik entstanden und sehr viel Energie in einem Umfeld, was so vorher von uns gar nicht so wahrgenommen worden ist. Und wir haben tatsächlich mittlerweile sehr, sehr viele Frauen, Unternehmerinnen insbesondere, mit denen wir zusammenarbeiten, und mit denen wir die neue Welt ein bisschen anders rocken.

Müller: Das heißt, diese geheimen Heldinnen, die können jetzt hervorkommen, und die Kräfte, die sonst so nicht sichtbar waren, auch tatsächlich in die Welt bringen und etwas Besseres schaffen, und nicht zurück in die alte Normalität zu gehen, sondern eben eine neue Welt mit aufbauen, in der diese geheimen Heldinnen in ihre Kraft kommen. Habe ich das so philosophisch richtig zusammengefasst?

Pfeffer: Ja, das ist tatsächlich so. Und dafür gibt es auch ein paar Ursachen. Während vor der Corona-Krise sehr viel bestimmt war von bestehenden Regeln, von teilweise auch sehr männerdominierten Rahmen und Strukturen, ist zu Krisenzeit nichts mehr, wie es vorher war. Die Menschen sind plötzlich offen für neue Wege, für neue Dinge, wo Frau nicht unbedingt, ich sage jetzt mal ganz krass, sich erst die Erlaubnis einholt oder nicht erst fünftausendmal überlegt, kann ich das jetzt machen oder nicht, sondern wo sie es einfach dann auch mal tut. Und dadurch ist die Hemmschwelle, wirklich aktiv zu werden und auch mal Dinge anzugehen, wo man im Normalfall vielleicht sagt, das ist mir ein bisschen zu grenzwertig oder ein bisschen zu schwierig, oder ich muss mich da noch ein bisschen besser darauf vorbereiten, geringer. Die Frauen sind mutiger in Krisenzeiten, haben durch ihre Weiblichkeit, durch die Empathiefähigkeit und auch durch die Fähigkeit, Zusammenhänge anders miteinander zu verknüpfen, plötzlich Möglichkeiten, Situationen zu schaffen, Situationen zu verändern, die ganz andere Ergebnisse herbeiführen. Ich glaube schon, dass wir Frauen da gerade eine ganz klaren Vorteil gegenüber Männern haben.

Müller: Also ich höre jetzt hier, dass diese kämpferische Seite sozusagen hervorkommt, dadurch, dass die Grenzen, die die sogenannte Männerwelt den Damen gesetzt hat, zerbröckelt, und deshalb das Licht hervorstrahlen kann, vielleicht auch das Kämpferische. Jetzt sehe ich als wirklich unpolitische Person aber, dass wir ja hier in der Politik von Frauen mehr oder weniger dominiert werden. Das möchte ich so als kleine Herausforderung jetzt hier einbringen.

Pfeffer: Von Frauen dominiert? Na ja, ich glaube, da sind wir noch lange nicht so weit. Ich glaube, da fehlt noch ein bisschen was, und ich glaube auch nicht, dass man gerecht wird, wenn man sagt, Frauen dominieren. Bei einem Mann würde das zutreffen, bei einer Frau nicht. Eine Frau nimmt so in der heutigen Zeit sich mehr das Recht und mehr die Möglichkeit raus, nach ihrer Fasson Dinge einfach umzusetzen. Und fragt aktuell weniger Männer, sondern macht einfach, weil sie von dem, was sie denkt und was sie im Kopf hat, einfach überzeugt ist und das einfach auch umsetzen möchte.

Müller: Jetzt habe ich hier auf deiner Webseite diesen wunderbaren Spruch gelesen: „Freiheit bedeutet nicht, tun und lassen zu können was man möchte, sondern, Dinge ablehnen zu können, die man nicht möchte“. Das bedeutet für mich Freiheit, das erkenne ich in diesem Spruch. Es heißt, in erster Linie erst mal Nein zu sagen, was dann eben bedeuten würde, nicht zu gehorchen.
Pfeffer: Genau. Zumindest nicht zu gehorchen, was möglicherweise bestehende Regeln angeht. Oder was bis dato bestehende Regeln angeht.

Müller: Hast du für unsere Zuhörer vielleicht ein konkretes Beispiel?

Pfeffer: Habe ich. Wir haben tatsächlich gerade in Krisenzeiten doch, ich glaube, über 30 corona-konforme Konzepte für Unternehmerinnen und Unternehmen erstellt. Dabei ging es immer darum, nicht zu sagen, ich gebe mich jetzt dieser Corona-Beschränkung hin, ich lege die Hände in den Schoß und vertraue auf andere, sondern da zu sagen: „Ich lasse das weg, ich will das so nicht, ich entscheide mich bewusst dagegen und gehe vielleicht im ersten Moment einen rebellischen Weg, aber unter Anwendung des bestehenden Regelwerks.“ Und das heißt, ich schiebe das Regelwerk nicht weg und denke, oh, das passt nicht zu mir oder das ist gerade zu anstrengend oder das ist eine neue Welt, ich warte, bis es vorüber ist, sondern ich entscheide mich bewusst dafür, ich nehme es an und lasse dafür andere Dinge weg. Und das war tatsächlich so, dass wir für ein Unternehmen, für eine Gärtnerei, einen kontaktlosen Autoverkauf konzipiert haben. Wir haben dadurch gesagt: Nein, wir lassen uns nicht darauf ein, dass es zu ist, wir sagen nicht, wir geben uns der Sache hin, sondern wir suchen unseren Weg, wohin es geht. Und wenn das nicht sein soll, dann lassen wir es einfach auch. Aber wir haben es probiert, wir sind den Schritt gegangen.

Müller: Also das heißt, unter all diesen Restriktionen Möglichkeiten und Lücken zu finden, dann doch noch in die Öffentlichkeit zu gehen und die Dienstleistung oder den Service, den man hat, anbieten zu können, und zwar solchen Menschen, die das noch möchten.

Pfeffer: Genau.

Müller: Ja, das hört sich sehr tröstlich an, muss ich jetzt mal in dieser Situation sagen, und gibt sehr viel Hoffnung. Diese Freiheit, also ich möchte da jetzt noch mal auf die Freiheit zurückzukommen, die eben nicht bedeutet, tun und lassen zu können oder zu dürfen, was ich möchte, sondern dass man Dinge ablehnt, die man nicht möchte, also das ist ja, wenn ich mir das überlege, für mich persönlich, die ja freiheitsliebend ist, eine sehr deprimierende Auslegung meiner persönlichen Freiheit.

Pfeffer: Ich sehe das nicht deprimierend.

Müller: Nein?

Pfeffer: Nein. Nicht im Ansatz.

Müller: Ich höre dir sehr gerne zu.

Pfeffer: Ich sage ein Beispiel. Dadurch, dass es tatsächlich ja uns auch umsatztechnisch sehr stark erwischt hatte, haben wir natürlich auch geguckt, wie können wir das Angebot des Staates annehmen, und wir haben uns sowohl die Soforthilfen angeschaut als auch alles Weitere, was es so gab, und ich habe mir auch das Administrative, die Bürokratie dahinter angeschaut. Und habe für mich den Entschluss getroffen, ganz ehrlich, der Aufwand, um eine staatliche Leistung in Anspruch zu nehmen für einen Fall, der nicht von mir hervorgerufen wurde, sondern der seitens der Regierung ja tatsächlich ins Leben gerufen worden ist, weil bei uns ist der Umsatz weggebrochen wegen des Lockdowns und nicht aufgrund eigenes Verschuldens, habe ich ganz bewusst gesagt: „Nein, wir beantragen das nicht.“ Ich setze die Energie nicht rein in die Formulare, in das Ausfüllen, in das was auch immer, sondern ich gehe lieber in die Akquise, und ich habe mich ganz bewusst dagegen entscheiden, auch unter dem Aspekt, dass es möglicherweise schwieriger werden könnte, dass es härter werden könnte, aber ich habe da einfach gesagt, nein, ich möchte nicht in die Situation kommen, dass ich irgendwann mich für das Geld rechtfertigen muss, dass ich irgendwann in die Situation komme, es möglicherweise zu einem ungünstigen Zeitpunkt zurückzahlen zu müssen, sondern ich vertraue auf das, was ich und was mein Team imstande sind zu leisten. Und da haben wir uns bewusst gegen den Staat entschieden. Da haben wir uns bewusst gegen die Hilfen entschieden, die vielleicht von dem einen oder anderen natürlich, weil er sie auch vielleicht ein bisschen dringender braucht als wir, in Anspruch genommen wurde. Aber wir hatten die Freiheit, nein zu sagen und uns für einen anderen Weg zu entscheiden. Und im ersten Moment hat sich das schon krass angefühlt, bewusst zu sagen, man geht ein höheres Risiko ein, denn es ist definitiv ein höheres Risiko gewesen. Aber wie ein Unternehmensfreund sehr schön mal zu mir gesagt hat: „In der Krise ist das Geld genauso vorhanden wie vor der Krise, es ist nur an anderen Stellen und du musst die Stellen finden, wo das Geld gerade ist.“ Und deswegen da der Freiheitsgedanke, unternehmerisch aktiv zu sein in den Mittelpunkt zu stellen, auch in so einer schwierigen Situation, hat überwogen gegenüber zu sagen: „Na ja, dann beantrage ich halt irgendwie ein KfW-Darlehen, um es leichter zu machen“, oder wie auch immer.
Müller: Also du hast dann dem Angebot des Staates gegenüber „Nein“ gesagt, und die Jeanne d’Arc begann zu kämpfen, und zwar auf ganz völlig neuen Wegen. Das ist wunderbar, es hört sich sehr, sehr menschlich an hier mit den Gedanken zur Menschlichkeit, also wir hören, liebe Zuhörer, wie menschlich wir Unternehmer und das ganze Unternehmertun ist und wie viele Herausforderungen wir im Moment zu meistern haben. Ja, also die Zeiten sind nicht einfach, die Zeiten bieten sehr viele Chancen zum Wachsen und für Frauen eben auch herauszutreten aus dem Schatten der Männerwelt, in ihre Kraft zu kommen, das Innovative glänzen zu lassen. Also das Innovative ist immer sehr interessant, weil ich mich als Frau auch so innovativ finde. Ich möchte da ein ganz banales, kleines Beispiel sagen. Ich habe eine Küche aufgebaut, oder ein Freund von mir hat eine Küche aufgebaut, meine Küche, und er hat mir gesagt: „Aber ich brauche dies, ich brauche jenes, ich brauche das.“ Und dann habe ich gesagt: „Pass mal auf. Also ich als Frau denke da ganz anders. Ich nehme jetzt dieses Stück Plastik, was so aussieht, also könnte ich es gebrauchen, mache da links und rechts Silikon drauf, klebe das auf den Schrank, und das andere dann davor, da brauche ich doch nicht extra in den Baumarkt zu fahren, um mir jetzt Winkel zu kaufen, die ich nicht habe.“ Ja, also das ist ein sehr einfaches Denken. Also der Mann, der denkt: „Oh, ich muss den Motor erst mal bauen, um dieses Gerät anzuschieben“, und ich als Frau sage: „Okay, aber ich habe doch zwei Hände und Beine, das kann ich doch auch“. Das mache ich ganz einfach. Wie siehst du das? Liegt unsere Stärke in der Innovation und in der Einfachheit?

Pfeffer: Ich weiß nicht, ob man es Einfachheit nennen kann.

Müller: Also „einfach“ meine ich jetzt nicht negativ, sondern eher als „unkompliziert“.

Pfeffer: Genau. Aber ich würde das vielleicht ein wenig anders umschreiben. Ich glaube, dass wir Frauen die Fähigkeit haben, durch unser vernetztes Denken bestimmten Gegenständen, bestimmten Situationen oder bestimmten Ergebnissen mehrere Bedeutungen beizumessen. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Es gibt eine Studie, dass komplett neue Ideen, innovative Ideen, die einen komplett neuen Ursprung haben, nur zu 47 Prozent zum Erfolg führen, während weiterentwickelte Ideen und weiterentwickelte Konzepte zu 74 Prozent zum Erfolg führen. Also die Zahl dreht sich genau rum, und ich glaube, darin liegt eine der Stärken von Frauen und insbesondere im Unternehmertum, Dinge, Situationen oder Ergebnissen, die uns begegnet sind, in einer Neukombination so zusammenzubringen, so zusammenzufügen, dass ein neues Ergebnis entsteht, das gleichzeitig einen sehr hohen Mehrwert und einen sehr hohen Nutzen hat. Und ich glaube, das haben wir Frauen definitiv mehr ausgeprägt als Männer.

Müller: Jetzt versuche ich manchmal, mich in die Gedankenwelt oder in die Struktur eines Mannes einzudenken, was mir natürlich gar nicht gelingen kann, weil ich ja keiner bin, und wir sind ja sozusagen wie Feuer und Wasser oder wie entgegengesetzte Magnete. Das heißt, der eine kann gar nicht so denken wie der andere. Ich glaube, die Symbiose ist das, was uns dann im Endeffekt Kraft geben kann. Also das heißt, einmal haben wir hier den Motor, und dann haben wir hier den Kraftstoff, der den Motor eben auch zum Laufen bringt, um das jetzt mal so symbolisch auszudrücken. Um jetzt noch mal weg ein bisschen von der Symbolik zu kommen, von der Philosophie, in die Realität, wie sieht das in der Realität aus, wenn du jetzt mit Firmen arbeitest? Wie stärkst du die Frauen? Also du sagst, du bist nicht für eine Frauenquote, aber was veranlasst dich dazu, dich jetzt eben vermehrt auf die geheimen Helden, also die Frauen in der Gesellschaft, auf die Jeanne d‘ Arcs, die in uns allen sind, zu konzentrieren?

Pfeffer: Ich möchte ein Beispiel sagen. Wir haben eine Kundin, da ist am Freitag Eröffnung eines neuen Coworking-Spaces. Und jeder – also die Männerwelt – sagt: „Oh, wie könnt ihr in Corona-Zeiten einen Coworking-Space aufmachen, geht ja gar nicht!“ Der Gedanke des Frauenteams dahinter ist allerdings, genau jetzt aufzumachen, damit auch größere Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schicken wollen, die aber im Homeoffice kein professionelles Arbeitsumfeld haben, ein Stück weit in den Coworking-Space reinsetzen können. Meine Aufgabe liegt ein Stück weit darin, genau dieses gegen den Trend aufzuzeigen – und den Mut, der dahinter steckt. Was im Moment ganz besonders von den Menschen aufgesogen wird, ist, wenn Menschen mutig vorweg gehen. Es muss keine fünf Kilometer sein, das können drei Schritte sein, und da sind Frauen aktuell wirklich auf dem Vormarsch, da gehen Frauen andere Wege. Und natürlich hinterfrage ich kritisch, ist das wirklich alles so, und das ist auch ein Stück weit ein Part von mir, mit meiner Erfahrung kritisch zu hinterfragen, aber auch genau zu gucken, wo ist das, was gerade die Situation oder die Unternehmerin oder das Ergebnis auszeichnet? Um das dann auch nach außen zu bringen. Egal, in welcher Form. In Form von Begeisterte finden, die darüber sprechen, in Form von dass es in der Presse landet, in Form von dass Menschen aufmerksam werden und genau diese Frauen suchen und ihnen begegnen wollen. Und dann zu sehen, was daraus entsteht, das ist wirklich in der aktuellen Zeit das Nonplusultra, das passieren kann. Daraus entstehen wieder ganz viele neue Symbiosen, dadurch entsteht Geschäft, daraus entstehen Weiterempfehlungen, daraus entsteht Erfolg. Und daraus entsteht auch, und das passt, finde ich, sehr schön auch zu deinem Ansatz, zur Menschlichkeit, daraus entstehen Begegnungen und daraus entstehen Verbindungen, die nicht den Zwang haben, Bestand zu haben, sondern in der freien Wahl sind, bestehen zu dürfen.

Müller: Bestehen zu dürfen, Bestand zu haben und trotzdem so flexibel zu sein wie das Wasser, was sich an bestimmte Umstände ganz einfach anpasst.

Pfeffer: Genau.

Müller: Das ist wunderbar. Und wir Frauen bestehen aus diesen unzähligen, endlosen Wassermolekülen, das ist ein sehr schönes Bild. Steter Tropfen höhlt den Stein und wir werden im Meer irgendwann ankommen. Das ist wunderbar philosophisch, sehr menschlich. Und du selbst, Nicole, dein Treiben, was treibt dich? Was ist deine Intention, was ist dein Idealismus? Was ist das Menschliche, das zutiefst Menschliche an deiner Philosophie?

Pfeffer: Ich glaube, das ist mit der Zeit gereift. Und wir sind an einem Punkt, und da spreche ich wieder von „wir“, weil es betrifft nicht nur mich, sondern mein ganzes Team ist davon angetriggert, in unserem Mittelpunkt steht Corporate Youth Responsibility, CYR auch abgekürzt. Also bei uns müssen alle Projekte, die wir machen, in die wir in irgendeiner Form mit einsteigen, auf die drei Themen „Unternehmen, Jugend, Verantwortung“ einzahlen. Wenn das nicht gegeben ist, nehmen wir keine Projekte an, steigen wir nirgends ein, unterstützen wir nichts. Weil was uns antreibt ist: Wir brauchen Unternehmen, wir brauchen die Wirtschaft, um unsere Existenz zu sichern, um Mehrwerte zu schaffen, um Wertschöpfung zu generieren, aber es geht nichts, wenn wir die Jugend nicht entsprechend involvieren, entsprechend ihre Ideen und Gedanken mit einbeziehen, und wenn wir es nicht schaffen, unsere Jugend vom Unternehmertum zu begeistern. Und das Ganze muss unter dem Aspekt „Verantwortung“ stehen. Es geht nicht mehr höher, schneller, weiter, es geht qualitativer, bewusster, tiefgründiger. Und wenn das in Gänze bedeutet, dass ich keine Messen mehr mit 3.000 Leuten, sondern eine kleine Begegnungsmesse mache, wo man in die Unternehmen fährt, dann ist das ein Ansatz. Wir haben nicht unendliche Ressourcen und wir müssen lernen, neue Verhältnisse zu schaffen und den Nutzen und Mehrwert, den wir generieren, unter anderen Gesichtspunkten zu sehen. Wir für uns haben in einem Prozess, der schon etwas länger gedauert hat, für uns entdeckt: Es ist diese Dreierkombination aus Unternehmen mit seinen Menschen, mit seiner Struktur, mit seiner Organisation, mit seiner Innovationskraft, mit seiner Entfaltungsmöglichkeit, es ist die Jugend mit ihrer, ich sage jetzt mal, ein Stückweit teilweise unternehmerischen Naivität, mit ihrer Rebellion, mit ihrer Neugierde, mit ihrem Wissensdurst, hin bis zur Verantwortung, zu sagen, es kann nicht nur die Verantwortung gegenüber dem Menschen oder gegenüber der Natur geben, es muss eine Verantwortung gegenüber dem Dasein geben. Und das bezieht alles mit ein. Und das ist, glaube ich, so der Punkt, der uns menschlich macht, weil wir nicht auf Kosten irgendeines Dritten leben, sondern weil wir versuchen, in Kombination allen drei Seiten gleichermaßen gerecht zu werden. Nicht immer einfach, aber es lohnt sich.

Müller: Ja, also das habe ich jetzt in dieser Krise auch sehr schön sehen können, dass doch aufgedeckt wird, was wir vorher schon alle so ein bisschen erkennen konnten, aber nicht wirklich ansprechen wollten, dass unser System doch recht parasitär gewesen ist und dass wir jetzt eine Chance haben, genau das zu ändern, und zwar uns wirklich auf Win-win zu konzentrieren. Also darauf zu konzentrieren, dass wir einander stärken, ja. Also füreinander da sein. Wenn ich für den anderen da bin, dann wird der andere stark. Da gebe ich natürlich erst mal was von mir ab, was mich eventuell schwächen könnte, aber ich bekomme genauso viel zurück, und dadurch kann ich stärker werden und kann dem anderen wieder noch mehr Kraft geben. Und so können wir dann wirklich in eine wesentlich bessere Welt der Unternehmungen starten. Also das ist das, was ich jetzt aus diesem Gespräch herausziehe.
Pfeffer: Ich würde gerne noch eins draufpacken. Ich würde nicht nur von Win-hoch-zwei sprechen, sondern ich würde tatsächlich von Win-hoch-drei reden wollen. Ich würde nicht nur sagen, dass man in bilateralem Austausch Mehrwerte und Nutzen schafft, ich glaube, dass es relevant ist, dass man mindestens drei Parteien hat. Zum einen: Drei unterschiedliche Perspektiven arbeiten auf ein Ziel hin. Wenn man drei ist, ist die Gefahr, dass einer doch die Überhand haben will oder sich als wichtiger sieht, viel geringer, und damit stehen die Zielausrichtung und der Nutzen für alle drei unter einem ganz anderen Stern. Und ich glaube, das ist wichtig. Uns selbst ein Stückweit zurückzunehmen, natürlich da unseren Platz finden oder uns da einbringen, wo es sinnvoll ist, aber immer im großen Ganzen zu sehen, und immer mit dem, was man als Ziel, was man als Ergebnis, was man als Mehrwert tatsächlich erreichen will, und daraus entstehend zu sagen: Das Ziel und das Ergebnis ist wichtiger als ich selbst.

Müller: Kannst du das noch ein bisschen verdeutlichen? Ich habe das jetzt nicht ganz verstanden. Das Ergebnis ist wichtiger als ich selbst: Was ist damit gemeint?

Pfeffer: Ich bringe dir ein Beispiel aus meiner Vergangenheit. Als ich 2007 mein Buch veröffentlicht habe war es so, dass wir eine Preview-Buchlesung hatten. Also vor dem eigentlichen Erscheinungsdatum wollte ich mit Unternehmern mein Buch vorstellen und wir haben überlegt: Wie bekommen wir eine Preview-Buchlesung hin, die für alle Seiten einen Mehrwert darstellt? Wir haben drei unserer Kundinnen gefragt: „Mensch, ihr habt doch eine Wunschkundenliste. Nehmt bitte die ersten zehn und schickt denen ein Ticket zu, dass sie euch begleiten können auf meine Preview-Buchlesung.“ Oder auf unsere Preview-Buchlesung. Wir haben zudem unseren Bürgermeister mit ins Boot geholt, weil ich ein Stückweit Stolz darauf bin, wo ich beheimatet bin, nicht nur privat, sondern auch mit meinem Unternehmen. Und wie haben natürlich unsere A-Kunden angeschrieben. Meine Kundinnen haben gesagt: „Hm, Frau Pfeffer, die haben wir doch noch nie zu einem Termin gekriegt, ich glaube nicht, dass die kommen“. Sage ich: „Abwarten“. Sage ich: „Kommunizieren Sie, die Karten gibt es nicht im freien Handel, Sie haben zehn Karten bekommen und Sie möchten diesen Menschen gerne mit an diesem Abend dabei haben.“ Oh Wunder, oh Wunder, von unseren drei Kundinnen haben alle zehn Wunschkunden jeweils zugesagt. So, ich hatte die Möglichkeit, auf der Bühne, also während der Buchvorstellung, während ich vorgelesen habe, aber auch die ein oder andere Anekdote zum Besten gegeben habe, genau meinen Kundinnen, die im Publikum saßen, die Bühne zu geben. Und ihre potenziellen Interessenten oder Wunschkunden haben natürlich sofort erkannt, wann genau der oder die an der Reihe war. Das wiederum hat dazu geführt, dass unsere Kundinnen von diesen zehn Kunden mindestens acht zu einem Termin beziehungsweise als Kunden gewonnen haben. Die Begleiter unserer Kundinnen waren sehr begeistert, dass sie an diesem Abend dabei sein durften, weil sie mal andere Unternehmer kennengelernt haben wie die, die sie bislang kannten. Und wir waren superhappy, dass wir ganz viel positive Resonanz über das Buch erfahren haben und sogar teilweise Bücher für Führungskräfte noch mitgekauft worden sind, weil sie sonst mich überhaupt nicht irgendwie auf dem Schirm gehabt hätten, weil wir uns vorher noch nie begegnet sind. So, das heißt, marketing mit Pfeffer hatte den Vorteil, dass wir neue Kontakte gemacht haben und unser Buch verkauft worden ist. Meine Kundinnen haben dadurch neue Kunden gewonnen und die Interessenten meiner Kundinnen waren superbegeistert, weil sie uns – wir sind erst vor drei Jahren in die Region gezogen – sonst gar nicht kennengelernt hätten und vielleicht auch gar nicht auf das Buch aufmerksam geworden wären. Und das war eine Kombination, die dreifach einfach Symbiose geschafft hat. Noch dazu, wo dann natürlich unser Bürgermeister, der ein ganz tolles Grußwort gehalten hat, einfach auch noch mal unseren Ort ganz anders darstellen konnte.

Müller: Also das klingt nach einer Veranstaltung, an der ich sehr, sehr gerne auch dabei gewesen wäre. Das klingt ganz, ganz wunderbar, so, wie man sich das wünscht und vorstellt. Jetzt hast du dieses Buch angesprochen, du hast doch jetzt auch gerade ein neues E-Book geschrieben, ist das richtig? Magst du uns dazu auch noch was sagen?
Pfeffer: Das E-Book heißt „Neues Marketing-Denken“, weil ich auch glaube, dass das Marketing aus dieser, ich sage jetzt mal, Schmuddel-Werbeecke rauskommen muss. Insbesondere über das Storytelling, insbesondere wenn wir davon sprechen, Begegnungen herzustellen, hat es nichts mehr rein mit „ich will dir was verkaufen, ich will, dass du mein Angebot annimmst, und ich will dich vielleicht sogar in irgendeiner Form manipulieren“ zu tun. Es geht stattdessen darum, auch über das Marketing die eigene Identität mit seinen Werten und mit seinem Nutzen neu zu entdecken und neu als Abbild zu geben. Und ich finde es schade, wenn man heute junge Menschen fragt: „Wie siehst du Unternehmertum?“ oder „Was hast du für einen Eindruck von Unternehmen? Oder von Unternehmer?“, dann hört man nicht selten: „Oh, das sind Halsabschneider, Steuerhinterzieher“, und was einem da sonst noch so alles einfällt. Nein, das sind die Unternehmer – und schon gar nicht Unternehmerinnen – nicht. Sondern wir sind auf Werten bedacht, wir sind darauf bedacht, dass wir Menschen eine sinnhafte Heimat geben. Dass, wenn sie schon so viel Zeit im Arbeitsleben verbringen, diese sinnvoll erscheint, dass sie als Teil eines Ganzen sich verstehen. Und ich glaube, dieses Bild wird ganz besonders schon ein Stück weit über Marketing, über die eigene Positionierung, über die eigene Kommunikation und über die eigene Sichtbarkeit hin abgebildet, und deshalb ist es neues Marketing-Denken, weil es darum geht, innovativer, bewusster das eigene Angebot, die eigene Dienstleistung nach außen zu bringen, sich auf das zu konzentrieren in den Bereichen des Marketings, was auch wirklich authentisch ist, was zu einem passt, und da ruhig mal dann auch neue Wege zu gehen. Das ist so ein bisschen die Quintessenz des Buches.

Müller: Ja, das war auch eine wunderbare Zusammenfassung und die Quintessenz unseres Podcasts hier. Meine Damen und Herren, vielen Dank fürs Zuhören. Ich freue mich sehr, dass Sie dabei gewesen sind, und ich habe das Gefühl, dass Nicole M. Pfeffer von marketing mit Pfeffer uns allen doch sehr viel Hoffnung und Kraft gegeben hat mit ihrer innovativen Einstellung, mit der Freiheit, die ich meine. Wie viel Jeanne d’Arc darf in uns stecken? Vielen Dank, liebe Nicole, ich freue mich sehr, heute hier eine weitere Jeanne d’Arc kennengelernt zu haben, dass wir von dir lernen durften. Dass du uns Einblicke gewährt hast in das Geheimnis der Frau, was sie in sich trägt, und warum eben genau dieses andere Denken zum Erfolg führt und führen kann.

Pfeffer: Liebe Annette, vielen, vielen Dank, dass ich da sein durfte.

Müller: Ja. Vielleicht machen wir ja demnächst noch das eine oder andere Gespräch, weil da ja doch sehr viel dabei ist, was uns weiterführen kann, woraus wir lernen können, und dann freue ich mich auf das nächste Mal. Und ich freue mich auf Sie, liebe Zuhörer, wenn Sie dann wieder mit dabei sind. Bis zu einer nächsten Folge „Gedanken zur Menschlichkeit“.

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